(Straight Outta) Fluffia

So ähnlich klingt es zumindest in meinen Ohren manchmal, wenn Einheimische den Namen „Philadelphia“ mit etwas zu viel Maulfaulheit aussprechen. Ich bin aber natürlich nicht (mehr) in Philly (die Stadt begrüßte mich wie immer mit ihrem ganz eigenen versifften Charme, lieber schnell wieder weg), sondern ich hab die ca. 90 Minuten Fahrtstrecke nach Lancaster bereits zurückgelegt, um am alten Wohn- und Arbeitsort noch ein paar Tage bei einem Kollegen von damals zu verbringen.

Der Flug von Fairbanks über Seattle war allerdings wiedermal auch nicht ohne Hürden. Aber der Reihe nach. Die letzten Nächte am Chena Lake haben mich mit meinem Nachtexperiment noch ein bißchen versöhnt. Also nicht, daß ich irgendwie sauer oder am Boden zerstört gewesen wäre, wenn ich an Nordlichtern nichts mehr vor die Linse bekommen hätte. Als Fotograf muss man bei solch flüchtigen und launigen „Models“ von Anfang an mit einplanen, daß man vielleicht auch unverrichteter Dinge wieder abrücken muss. Der ganze Aufwand hätte sich halt nur nicht gelohnt. Aber auch wenn das, was ich doch noch fotografiert habe, in Intensität, Helligkeit und Bewegung noch weit von der Show in Wiseman entfernt war – ein paar richtig schöne Aufnahmen sind nach meinem ersten Eindruck auf jeden Fall entstanden. Und auch so, wie ich sie mir nach 2019 als quasi Weiterentwicklung solcher Bilder gewünscht habe: Spiegelung im Wasser, in grün und leicht rosa. Daß der ganze Himmel nicht wie eine Diskokugel leuchtet und man sich am Boden wie unter Scheinwerfern fühlt wie damals da oben jenseits des Polarkreises, sieht man Standbildern eh nur bedingt an. Also ich bin mit dem, was ich bisher selber in Erinnerung und auf dem Display der Kamera begutachtet (und hier ja auch schon gezeigt) habe, sehr zufrieden. Mehr gibt’s dann irgendwann auf der Hauptseite www.boltz-online.com unter „Fotos“. Wird diesmal aufgrund der kürzeren Zeit und damit geringeren Anzahl der Fotos nicht so lange dauern. (Update: Galerie steht. Auf www.boltz-online.com unter „Fotos“ und „Fairbanks 2023“.)

Noch ein paar Gedanken zu meinem langjährigen Unterfangen, Nordlichter professionell abzulichten und meiner nun schon wiederholten (in jedem Fall auch schon wiederholt erfolgreichen) Realisierung. Das sollte niemand missverstehen, ich formuliere nur den Erkenntnisgewinn. Es wird auf lange Sicht nicht der letzte Versuch bleiben, hat jetzt nur erstmal wieder etwas Zeit. Daher vielleicht als kleiner Erfahrungsschatz oder Retrospektive entlang meiner Versuche seit de facto 2010 in Island bis heute im neuesten Anlauf. Es hängt nicht an der konkreten Location, wenigstens nicht im größeren Umland von Fairbanks. Man müsste hier überall auf seine Kosten kommen, und in der Nähe einer Stadt ist zudem vieles sogar noch leichter durchzuführen, ohne mitten in der Tundra campen zu müssen und dafür tagelange Anfahrtswege auf sich zu nehmen. Der Auroragürtel ist mindestens mehrere hundert Kilometer breit, und Fairbanks liegt sogar noch mittiger unter diesem Streifen als Wiseman oder Coldfoot jenseits des Polarkreises. Beste Voraussetzungen also. Selbst die Teilchenaktivität war in dieser Woche jetzt nur marginal geringer als in jener Nacht in 2019 (hab es im Aurora Forecast Archive der Universität Alaska sogar nachvollziehen können). Wolkenlosen Himmel hatte ich ebenfalls immer wieder mal. Eine Woche vorher, eine Woche später – wer kann es schon sagen. Vielleicht muss man dort wohnen, nicht viel Nachtschlaf brauchen und die gesamte Aurorasaison über jederzeit losfahren können. 😉 Es bleibt also bei viel Glück und Zufall, wenn man immer nur eine begrenzte Anzahl von Tagen vor Ort ist. Das lässt diese auf Monate im Voraus festgesetzte Nacht 2019 natürlich in einem nachträglich nur noch glücklicheren Licht erscheinen, das mir eigentlich erst jetzt so recht bewusst geworden ist. Kein Grund zur Klage. Alles gut.

Einmal in dieser Woche hatte ich für eine Nacht auch die Location am Chena Lake verlassen und bin zum Cleary Summit gefahren – der in dieser Nacht nach meinem Dafürhalten aufgrund seiner Höhe irgendwann kurz sogar noch mehr in Dunstschwaden gehüllt war als der Rest der Gegend. Nicht optimal, aber ich wollte halt mal einen anderen Ort gesehen haben. Und für eine Stunde war es auch dort einmal komplett aufgeklart. Andere empfohlene Anlaufpunkte wie den Murphy Dome oder die Chena Hot Springs hab ich ausgelassen, einerseits wegen für die Auroraaktivität eh gleichen Bedingungen und aber deren Mangel an Reflexion durch eine größere Wasseroberfläche wie am Chena Lake, deren tatsächliche Motivausbeute ich bis zur letzten Nacht ja nach wie vor für noch verfeinerbar hielt. Andererseits aber auch, weil gegen Ende der Woche teilweise etwas mehr Regen angesagt gewesen war und die Anfahrtswege viel unasphaltierte Strecke mit sich brachten. Mit einem Kleinwagen in tiefster Nacht und Dunkelheit über unbefestigte Schlammpisten? Mmmh, weiß ich nich, Digga! Oder vielmehr, weiß ich recht genau: Nö. Letztlich war es für die fotografische Variation egal. Ob ich auf dem Murphy Dome gute Sicht in die Ferne oder hinunter ins Tal gehabt hätte, machte für das Motiv am Himmel keinen Unterschied, definitiv mit Ausnahme der fehlenden Spiegelung auf dem Wasser! Chena Lake war also auch bis zum Ende mein Go-To-Point. Und so sah das fast die ganze Woche aus.

Die Lichter in dem Bootshaus am anderen Ufer (südlich) könnte man ggfs. für störende Lichtverschmutzungen halten. Aber zum einen tauchten in diesem Winkel keine Auroras auf – die waren dieses Mal ausschließlich in Richtung Westen bis Nordwesten und Norden zu sehen (keine Ahnung, ob es dafür eine Gesetzmäßigkeit gibt, war aber auffällig). Zum anderen waren sie häufig sehr hilfreich, um das Objektiv ab und zu erneut zu fokussieren. Man stellt für Nordlichter in der Regel auf Unendlich. Am sichersten ist hierfür immer noch der Autofokus (Unendich liegt für Objektive dieser Bauart nicht einfach am Ende des manuellen Fokusrings, das würde unscharf werden). Der Phasen-Autofokus meiner Kamera ist im Vergleich zu einer spiegellosen Kamera nicht mehr ganz auf dem aktuellen Stand der Technik und hat bei schlechten Lichtverhältnissen erwartbare Schwierigkeiten. Weiß jetzt nicht, ob das Fokussieren auf diffuse Himmelsobjekte generell nicht eine Herausforderung ist, auch mit einer anderen/neueren Kamera. Diese Anschaffung steht eh in den Startlöchern. Bis auf so kleinere Nachteile ist die Kamera aber nach wie vor mein bislang liebstes Modell – also nicht wirklich ein Grund, allzu eilig auf eine neue Generation umzusteigen. Hat ja in dieser Güteklasse den Preis eines Gebrauchtwagens und zieht jede Menge Folgeanschaffungen nach sich. Vielleicht ist es aber soundso bald soweit. Man muss sich solange halt nur zu helfen wissen. Ich war also froh, vor dem Auslösen auf den Himmel mittels der Lichter ab und zu mal den Fokuspunkt neu setzen zu können (manchmal berührt man ja das Objektiv, und der Fokus verstellt sich zwischen den Aufnahmen). Da waren die Lichtkegel gegenüber ganz brauchbar.

Nun also Lancaster. Der erste Flug ab Fairbanks kam leider schon unpünktlich in Fairbanks an und hatte schon vor dem Start zurück nach Seattle über eine Stunde Verspätung angehäuft. Mein Umstieg in Seattle war mit ca. 80 Minuten knapp bemessen, hätte aber funktionieren können, da Ankunft- und Abfluggate lange Zeit als das gleiche bzw. benachbarte angegeben worden waren. Das änderte sich irgendwann (oder in Seattle für die meisten Verbindungen vielmehr ständig innerhalb von Stunden bis zum Abflug), und das Gate in Richtung Philadelphia war irgendwann sogar in einem anderen Concourse (wie ein anderes Terminal), der zudem nur per Schnellbahn erreichbar ist. Besonders rücksichtsvoll waren meine Rückreisenden auch nicht trotz der Bitte der Flugbegleiter, die umsteigenden Leute mit knappem Zeitplan vorzulassen. Somit sprang bei Ankunft natürlich (und leider nicht überraschend) trotzdem fast ausnahmslos jeder auf und verstopfte unsinnigerweise den Gang, nach meinem Eindruck auch ohne jeweils gerade mal nur noch 5 Minuten offizieller Umsteigezeit zu haben. Entweder hatten sie es nicht gerafft oder es war ihnen einfach egal. Aber ich hätte es eh nur geschafft, wenn die vage Prognose der Stewardessen eingetreten wäre, daß der andere Flug ggfs. wartet, zumal es die gleiche Fluggesellschaft war, die ja auch in Besitz aller Daten ist, wer denn da so noch zum Gate hetzen würde und woher die oder der kommt – waren neben mir noch einige andere. Aber ob Airlines primär ihren eng getakteten Zeitplan im Hinterkopf haben oder sie generell nie warten, weil ihre Passagiere einfach keine Priorität haben, wer weiß. Diese Erfahrung hab ich jetzt nun schon mehrfach gemacht, z.B. mit British Airways, die damals 2014 sogar noch die Chuzpe besaßen, mich mehrfach am Gate in Heathrow auszurufen, obwohl sie ebenfalls hätten wissen müssen/können, daß ich auf einem verspäteten Zubringerflug an einem komplett anderen Terminal war und noch durch ihren pervers großen Flughafen hechelte, ohne daß ihnen einfallen würde, umsteigende Passagiere vielleicht mal abzuholen und mittels Shuttle direkt zu ihrem Anschlussflug zu bringen. Stattdessen darf man sich dann vom Gate-Personal blasiert anfauchen lassen, man habe immerhin dreimal eine Durchsage gemacht, am Gate! Finde den Fehler! In Seattle kam ich nun jedenfalls in rekordverdächtigen 10 Minuten von A nach B, aber immer noch mehr als 10 Minuten nach der planmäßigen Abflugzeit. Da war an dem Gate schon der nächste Flug in der Abwicklung. Anders als British Airways war Alaska Airlines immerhin von vornherein mehr auf Entgegenkommen gepolt. Somit sprang bis zum nächsten Morgen eine Hotelübernachtung heraus. Nur der reservierte, bessere Sitzplatz – die machen auf Flügen heutzutage wirklich jeden Furz zu extra Geld, demnächst zahlt man vermutlich auch noch für den Sicherheitsgurt Aufpreis – also die Sitzplatzreservierung war natürlich futsch, und der umgebuchte „Ersatz“ eher so mittelmäßig bis grottig. Auf die Antwort auf meine berechtigte Bitte, mir die Kosten zu erstatten, warte ich immer noch. Bzw. zahlreiche, mittlerweile sogar telefonische Versprechungen, mir die anstehende Erstattung per Email zu bestätigen, sind einfach ergebnislos versandet. Es fasele mir gegenüber bitte niemand jemals nochmal was von der angeblich „so typisch deutschen Servicewüste“. Das können andere mindestens genauso gut. Nunja, Fliegen war auch vorher für mich schon eher nur eine manchmal unabdingbare Notwendigkeit, aber eh noch nie ein echter Genuss. Wir werden wohl auch weiterhin keine Freunde werden. Hinkommen ist immer notwendig, Angekommensein aber das einzig wirklich angenehme. Immerhin war dann in Philly auch mein Gepäck mit mir am Zielort. Man freut sich schon über wenig. 😉

Ich verbringe jetzt noch ein paar entspannte Tage in Lancaster, schau mal in der Firma vorbei – gestern erledigt. Schön zu sehen, wie sich auch nach 14 Jahren noch viele an einen erinnern …

… hänge in meinen alten Lieblingscafés ab …

… wandele ein bißchen durch die Malls und lade meine beiden Gastgeber zum Abendessen ein. An meinem alten Apartment in den Greenfield Estates war ich schon. Sieht immer noch exakt so aus wie damals.

Am Samstagabend geht es zurück. Waren schöne Tage. Es war mir wie immer auch eine Freude, Euch dran teilhaben zu lassen.

Liebe Grüße,
Marco

4 Gedanken zu “(Straight Outta) Fluffia”

  1. Hallo, mein Marco, alles gelesen. Die spezifischen Ausführungen zur Fotografie nicht wirklich verinnerlicht, aber mit Interesse und Ahaeffekt in der Gänze studiert.
    Das Umsteigedrama in Seattle aber habe ich live am Bildschirm verfolgt. Als die Maschine aus Fairbanks ausrollte, erschien dein Flug nach Philadelphia schon zur Startbahn rollend auf dem Laptop und ich schrieb dir: „Da kannst du aber jetzt nicht drinnen sitzen.“ Und so war es leider auch. Ja, wenn einer eine Reise tut.
    Ich freu‘ mich, dass dann aber am Folgetag alles gut geklappt hat und du jetzt die Tage in Lancaster genießen kannst.
    Ganz liebe Grüße und auf die noch unter Verschluss gehaltenen Fotos bin ich sehr gespannt.
    Mutti

  2. Schön, daß Du mit Deiner Fotoausbeute zufrieden bist. Bin auf die Ergebnisse gespannt. Viele Grüße an Ajit!

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